Spiel 63 - Per|sön|lich|keit, beendet, Sieger: Wölfe
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Re: Spiel 63 - Per|sön|lich|keit, beendet, Sieger: Wölfe
von Shin am 18.03.2012 20:11
Es ist kalt. So kalt. Ich weiß nicht, ob die Kälte mich umgibt, oder aus mir selbst heraus kommt. Ich zittere. Die Welt scheint in Grau zu versinken. Ich sehe mich. Es ist windig hier draußen. Ich ziehe meine Jacke dichter zu und stecke meine Hände in die Hosentasche. Die Sonne scheint auf mich herab. Doch ihre Wärme kann mich nicht wirklich erreichen. Ich schließe die Augen und atme tief durch. Diese Therapie ist grausam. Diese Sitzungen sind grausam. Die vielen Menschen, die aufeinander treffen, die vielen Probleme der einzelnen Patienten. Und das sollte helfen? Es belastete mich. Ich nahm die Stimmungen der anderen auf und machte sie zu meinen eigenen. Am liebsten hätte ich mich vor ihnen allen verschlossen. Einfach in meinen Käfig gesetzt und mich selbst eingesperrt. Ich war wie ein Tier, gefangen. Meinetwegen konnten sie mich von außen beobachten. Doch niemand sollte de Käfig betreten. Niemand sollte mir zu nahe kommen. Niemand mein Innerstes, mein Wertvollstes betrachten.
Ich setzte meine Kapuze auf und senkte den Kopf. Mir war so kalt. Aber ich wollte dennoch länger draußen blieben. Jetzt wieder rein? Das würde ich nicht ertragen. Ich wollte diesen einengenden Raum nicht mehr spüren Ich wollte das Gefühl von Freiheit haben, das Gefühl von frischer Luft, von endloser Weite. Ich atmete tief ein und aus, als sich die Tür öffnete und Nana heraustrat. Sie blickte mich an und kam auf mich zu, lehnte sich dann neben mich an das Fahrradgitter. Nana verschränkte ihre Arme vor der Brust und legte den Kopf in den Nacken, blickte hoch in den Himmel.
„Es kommt vor, dass ich nach solchen Phasen eine unglaubliche Aggression in mir spüre. Eine Zerstörungswut. Dann greif ich nach dem großen Küchenmesser und will nur noch, dass Blut fließt. Viel Blut."
Unweigerlich zucke ich zusammen. Es klingt komisch, was sie da sagt. Als würde sie etwas vortragen, dass sie verinnerlichte, auswendig lernte.
„Ich saß in einem Glashaus. Und ohne, dass ich wusste, was geschah, prasselte es auf mich ein. Steine wurden geschmissen. Das Glas zersprang. Die Steine trafen mich. Splitter rieselten auf mich herab. Ich war in einem wunderschönen Regen aus Kristallen. Ich stand auf und breitete meine Arme aus, legte den Kopf in den Nacken und schloss meine Augen. Ich öffnete den Mund und empfing die Glassplitter, als wären es Schneeflocken."
Kurz war es drückend still, dann lachte sie auf. Lachte und lachte. Es machte mir Angst.
Die Tür des Gebäudes öffnete sich. Thoradin und BaldrSky kamen heraus. Zielstrebig gingen sie direkt auf Nana zu und packten sie jeweils an einem Arm. Mich beachteten sie gar nicht. Sie nahmen sie mit und gingen.
Verwirrt lief ich so schnell wie möglich wieder nach drinnen. Sie waren mir unheimlich. Ich ging zurück in den Therapieraum. Nur noch Tenebra und Schlendrian waren da. Letzterer schüttelte enttäuscht den Kopf. Vor ihm auf dem Boden lagen zwei Notizbücher.
„Thoradin und BaldrSky haben sich dazu entschieden, unsere Gruppe zu verlassen." So fertig, wie er schaute, war das kein angenehmer Abschied gewesen.
„Sie wollen sich nicht mehr helfen lassen..."
Ich griff mir die Notizbücher und las vor.
„Manchmal habe ich diesen Traum... Ist es nur ein Traum? Oder geschieht es wirklich? Ich folge Fußspuren, die viel größer als meine eigenen sind. Fußspuren. Nein... Es sind die Abdrücke von großen Pranken. Ich trete in sie und starre hinab auf meine eigenen kleinen Pfoten."
Baldr... Was meinte er damit? Ob es nur ein Traum sei?
„Ich saß in einem Raum voller Menschen. Es war ruhig. So ruhig. Ich hasste diese Ruhe. Sie machte mich nervös. Ich wippte auf meinem Stuhl hin und her und betrachtete die Anderen. Niemand sah zu mir. Niemand schien mich zu bemerken. Ich wollte nicht so zwischen Ihnen verschwinden. Ich wollte nicht zu der grauen Masse gehören. Ich sprang auf und warf meinen Tisch um."
Ich atmete tief durch und legte das Notizbuch zur Seite. Schlendrian schüttelte noch immer stumm den Kopf, Tenebra sah aus dem Fenster. Ich wusste nicht, ob sie zuhörte.
„Der Mond zieht mich magisch an. Er hat so einen großen Einfluss, so eine große Macht. Ich will ihm so nah, wie nur irgend möglich sein. Ich will ihn berühren und in seinem Licht baden. Er blendet mich, verblendet mich, nimmt mich vollkommen gefangen."
Mein Hals wurde eng. Meine Kehle trocken. Ich schluckte schwer. Meine Hände zitterten.
„Ich kam nach Hause und ging in mein Zimmer. Müde legte ich die Tasche ab. Es ging mir nicht gut. Ich wollte in mein Notizbuch schreiben. Als ich die Schublade meines Schreibtisch öffnete, sah ich, dass es leicht verrückt war. Jemand hatte es berührt. Jemand hatte es gelesen. Jemand hatte meine innersten Gedanken ausspioniert! Wut stieg in mir hoch. Unbändige Wut. Ich wollte Rache, ich wollte Vergeltung! Ich wurde verletzt und wollte nun ebenfalls verletzen! Dieser Spion sollte bezahlen! Ich würde ihn finden!"
„Es reicht!"
Ich zuckte zusammen und blickte zu Schlendrian. Sein Gesicht war verzerrt, verzweifelt strich er sich die Haare aus dem Gesicht.
„Was ist nur passiert mit dieser Gruppe..."
„Kennen Sie das? Karten ziehen, wenn es um die Verteilung von irgendwelchen Aufgaben geht. Glücksspiel. Reiner Zufall. Ich habe 34-mal in Folge richtig erraten, welche Karte ich ziehen werde. Als ich beim 35. Mal falsch lag, habe ich vor Freude geweint."
Überrascht sah ich zu Tenebra. Sie schaute noch immer aus dem Fenster. Und trotzt der Ansprache schien es mir so, als würde sie uns gar nicht beachten. Ich näherte mich ihr vorsichtig. Es war, als würde ich sie zum ersten Mal wirklich wahr nehmen. Ich erreichte sie gerade und betrachtete ihre feinen Gesichtszüge, als sie ihre Augen schloss und tief durchatmete.
„Jemand strich mir über den Kopf. Die Hand war groß und warm. Ich fühlte mich sicher und geborgen. Als ich die Augen öffnete, sah ich mich um. Doch ich war allein. War das ein Traum? Das Gefühl blieb da. Eine merkwürdige Ruhe und Sicherheit durchströmte mich. Lächelnd lief ich los. Es war dunkel. Kalt. Ich schloss meine Jacke und setzte meine Mütze auf. Ich musste durch den Wald. Ich freute mich darauf. Ich hatte keine Angst. Im Gegenteil. Ich fand an dem dunklen und schaurigen Weg gefallen. Denn ich spürte noch immer die Hand, die mir sanft übers Haar strich. Egal, was auf mich wartete, sie würde mich beschützen."
Ein Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab.
„Er wartet auf mich. Ich muss ihn finden."
Leichtfüßig drehte sie sich um und verließ den Raum. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss und Stille verkündete die grausige Gewissheit, dass nun wirklich alle fort waren. Schlendrian ließ sich auf seinen Stuhl fallen und atmete tief durch.
„Shin."
Ich zuckte zusammen und betrachtete ihn aufmerskam.
„Jetzt sind wir allein. Es gibt niemandem mehr, vor dem du dich schämen müsstest. Niemand macht sich lustig. Niemand verurteilt dich. Willst du mir nicht endlich erzählen, was dich bedrückt?"
Kurz zögerte ich, dann zog ich mir einen Stuhl direkt vor ihn und kramte mein Notizbuch aus der Hosentasche.
Ich blätterte zitternd um, bis ich eine Stelle fand.
„Ich hasse es, in den Spiegel zu sehen. Ich will mich nicht ansehen müssen. Ich bin nicht ich. Ich bin nicht das, was ich vor mir sehe. Ich bin mehr. Anders. Etwas, das dahinter steckt. Etwas, das man auf den ersten Blick nicht sieht. Es kommt mir so vor, als würde nur ich erkennen, dass ich falsch bin. Als würden alle anderen blind zu mir sehen und nichts bemerken. Ich hasse es, wenn sie meinen Namen rufen. So heiße ich nicht. So will ich nicht heißen! Sie sollen es lassen. Ich fühle mich schlecht dabei. Hass und Aggression. Ich würde sie am liebsten anschreien. So laut, dass ich davon zerbreche. Dass meine Hülle davon zerbricht und das freilegt, was ich wirklich bin.
Niemand kennt dieses Geheimnis in mir. Niemand kann es verstehen.
Ich will zerstören. Ich will mich zerstören. Ich hasse mich. Nicht nur ich. Sie alle. Wenn ich ein Blackout habe, wache ich immer gleich auf. Mit Wunden. Mit Blut. Egal, wer ich bin. Egal, wie viele Seiten es von mir gibt. Sie alle wissen, dass dieses Erscheinungsbild falsch ist. Zerstört werden muss. Es muss sterben und soll nicht mehr wieder kommen."
Schnurrend lauschen die Stimmen in meinem Kopf und wiegen sich sachte in meinen Worten. Sie stimmen mir zu, sind besänftigt. Ich schließe die Augen und höre ihnen zu. Es ist selten, dass sie nicht erbost sind. Ich will diesen Moment auskosten.
In dem Augenblick legen sich zwei Hände auf meine Ohren.
„Hör nicht hin. Hör nicht hin, wenn man dir so etwas falsches sagt. Du bist ein wunderbarer Mensch. Du wirst lernen, zu erkennen, dass nicht deine Erscheinung falsch ist, sondern deine Augen. Deine Wahrnehmung. Sie sagen dir falsche Dinge. Hör nicht hin."
Die Stimmen in meinem Kopf fauchen erbost, dann ist über allem ein hoher Ton und schließlich ein schnelles Atmen.
Ich öffne die Augen und blicke Schlendrian an. Merkwürdige Stille umgibt mich. So ruhig war es noch nie. Es ist, als wäre ich alleine.
Immer noch höre ich das Atmen. Es ist mein eigenes.
Ich bin.
(Shin ist übrigens kurierter Jason. ;) )
"You don't have a soul. You are a soul, you have a body."
mel
"Und die Hoffnung, frei atmen zu können."
Re: Spiel 63 - Per|sön|lich|keit [4/10]
von Shin am 18.03.2012 20:20Sieger (30 SK):
BaldrSky - Wolfsjunges/Unruhestifter
Thoradin - Werwolf/Zaubermeister
Hermes - Dorfdepp/Wolfsschamane
Verlierer (20 SK):
blacklands - Heiler/Alter
Crashedcrample - Doppelgänger/Rabe
Nana - Harter Bursche/Meuchler
David.R96 - Süßwarenhändler/Beschwörer
Tenebra - Seher/Rotkäppchen
Waldläufer (0 SK, 1 Waldpunkt):
WerwolfDave - Jäger/Trunkenbold
Kasumi - Hexe/Sündenbock
"You don't have a soul. You are a soul, you have a body."
mel
"Und die Hoffnung, frei atmen zu können."